Offener Richtungsstreit beim Stadtumbau zwischen dem Bund und Sachsen

Offener Richtungsstreit beim Stadtumbau zwischen dem Bund und Sachsen

Es war eine fast denkwürdige Konferenz des Bundesbauministeriums mit dem Titel „Stadtumbau Ost – Perspektiven für den innerstädtischen Altbaubestand“. Bundesminister Tiefensee verkündete den Richtungswechsel für mehr Erhalt denkmalgeschützter Häuser und Stadtbild prägender Gebäude in den Innenstädten. Der für den „Aufbau Ost“ zuständige Minister will bei künftigen Förderprogrammen vorrangig den Abriss von Altbauten erschweren, Anreize für deren Sanierung schaffen, um so lebendige und lebenswerte Innenstadtquartiere zu fördern. Künftig sollen auch stärker die privaten Wohnungseigentümer von den Fördergeldern profitieren.

Dabei haben die bisherigen Förderprogramme des Bundes sowohl die Sanierung der Plattenbaugebiete als auch der Innenstädte belohnt. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung lag es bei der jeweiligen Kommune bzw. bei ihrer kommunalen Wohnungsgesellschaft, wo sie dabei Schwerpunkte gesetzt haben. Im Rahmen der föderalen Eigenständigkeit lag es bei der jeweiligen Landesregierung, welche Schwerpunktsetzung sie unterstützte. Der Richtungswechsel, besser Kurskorrektur, ist auf Grund von Fehlentwicklungen der Programme notwendig geworden. Nun möchte der Bund seinen Gestaltungsspielraum nutzen, um die notwendigen Änderungen herbeizuführen. Das Verschulden von falschen Weichenstellungen beim Stadtumbau Ost liegt nicht bei der Bundesregierung allein, sondern auch bei der Landesregierung und den sächsischen Kommunalbehörden.

Sachsens Innenminister hält nicht viel von den Plänen, „weil sie an den Realitäten vorbeigeht.“ Ostdeutsche Kommunen bräuchten die Möglichkeit, auch denkmalgeschützte Häuser abzureißen, um die Probleme des Wohnungsleerstands in den Griff zu bekommen. Zudem kann er sich „nicht vorstellen, dass alle Bundesländer bereit sind, eine solche Entwicklung mitzutragen.“

Denkwürdig war die Konferenz, weil noch vor drei Jahren im Bundesbauministerium von der damaligen Staatssekretärin Gleicke das Programm über den grünen Klee gelobt und der Abriss -Weg als einzig richtig gepriesen wurde. Abrisszahlen wurden „zur Marktstabilisierung“ verkündet, wie ein Wirtschaftsaufschwung, der städtebaulich ein Niedergang ist. GdW-Funktionäre sahen im Stadtumbau Ost gar das Herzstück vom Aufbau Ost. Als Haus & Grund-Vertreter mehr Aufwertung für die Innenstädte forderten, wurden sie unter Tumult fast der Veranstaltung verwiesen wurden.

In der Zwischenzeit ist im Stadtumbau viel passiert. Vor allem sind die Abbruchbagger in die Innenstädte gekommen, so als gebe es für sie in den Plattenbauten am Stadtrand keine Arbeit mehr. Gerade diese Abbrüche von Baudenkmälern und gründerzeitlichen Strukturen sind es aber, die den Bewohnern in den Städten nicht den Eindruck von Aufbau Ost, sondern von Abbruch Ost vermitteln. Kommunale Unternehmen brechen bewusst ganze Straßenzüge auf und geben damit ganze Innenstadtquartiere der Einöde und Verwahrlosung preis. Private Eigentümer stehen mit ihren sanierten Häusern in der Einöde und verlieren erst ihre Mieter und anschließend ihr Vermögen. Wo noch vor Jahren intakte Straßenzüge und Strukturen waren, stehen jetzt die Häuser Privater neben „neben Dönerbude und wildem Parklatz“.

Systematisch wurden Innenstadthäuser kommunaler Wohnungsunternehmen leer gezogen, den Mietern Wohnungen in der sanierten Platte angeboten und die Altstadthäuser dem Verfall preisgegeben. „Leerstandsmanagement“ und „Umzugsmanagement“ heißt das in deren Sprache. Warum ist das eigentlich passiert, fragt man sich? Der Grund ist ganz einfach. Es gibt dafür reichlich Fördermittel. Der Abriss wird pauschal abgerechnet. Pro Quadratmeter gibt es sehr rentierliche 70 Euro Abrissprämie und dazu noch einmal den gleichen Betrag „Altschuldenentlastung“. Mittlerweile wird offen zugegeben, dass die Gesellschaften mit dieser Art Rückbau viel Geld verdienen und aus diesem Grund nun auch vor Altbauten in den Innenstädten nicht mehr Halt machen.

Angesichts der unhaltbaren Entwicklung drängen verantwortungsbewusste Bürger, Verbände, Denkmalschützer, der Deutsche Kulturrat, der Bund Deutscher Architekten und auch die Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag auf den Richtungswechsel im Stadtumbau Ost.

Diesen Richtungswechsel will Sachsen nicht mitgehen. In der sächsischen “FREIEN PRESSE” wurden nur einen Tag nach dem bekanntgegebenen Richtungswechsel im Bund mit Leitartikel, Kommentar und Interview von Sachsens Innenminister Buttolo Begründungen vorgetragen, die das Festhalten Sachsens an der bisherigen Linie begründen. Das Hauptargument lautet: Wenn der Abriss älterer Wohnhäuser künftig nicht mehr gefördert wird, engt das vor allem in Ostdeutschland die Spielräume der Kommunen stark ein, weil sich gerade in unsanierten Altbaugebieten der Leerstand konzentriert. „Denkmal-Ruinen an nicht zukunftsfähigen Standorten würden weiter das Ortsbild verschandeln.“ Dabei hat der Sächsische Landesrechnungshof in seinem Jahresgutachten 2005 festgestellt: „Eine Steuerung des Rückbauprogramms durch das SMI war nicht zu erkennen, insbesondere waren keine Schwerpunkte bei der Förderung ersichtlich, die kommunalen InSEK für die Programmsteuerung ebenfalls ohne Bedeutung.“

Fakt ist, dass der Leerstand in den Innenstädten im Durchschnitt mit etwa 19 Prozent überproportional hoch ist. Dies war jedoch der bisherigen Förderpolitik geschuldet, die die Innenstädte vernachlässigt hat und die Fördermillionen in die Plattenbaugebiete gelenkt hat. Der Sanierungsstand in den Plattenbaugebieten ist besser, als in den Innenstädten. Buttolo dazu: „Viele dieser Gebiete sind gar nicht mehr mit früher zu vergleichen. Sehr viele Häuser wurden saniert.“. Seitens des Freistaates Sachsens wird befürchtet, dass es trotz weiterer Sanierung in den Innenstädten aufgrund der demographischen Entwicklung keine Nachfrage geben wird. Dabei belegen Zahlen aus allen deutschen, auch ostdeutschen Städten den ungebrochenen Trend zum Innenstadtwohnen.

Weiß man das nicht? Will man mit den weiteren Abrissen in den Innenstädten die Zukunftsfähigkeit der sächsischen Städte bewusst gefährden? Was sind die wirklichen Ursachen?

Noch immer sind es wirtschaftliche Ursachen, die wider jeder Vernunft im Hintergrund wirken. Nachzulesen im Bericht des Sächsischen Rechnungshofes für das Jahr 2005. Im Punkt 4.3 „Schulden in ausgewählten Aufgabenbereichen“ steht klar, dass die Schulden kommunaler Unternehmen mit 5,7 Mrd. Euro weit höher ist als die Schulden der Kommunen. Ursache ist hier der hohe Schuldenstand kommunaler Wohnungsunternehmen, von denen das Sächsische Innenministerium (SMI) annimmt, „dass bei weniger als 10 Prozent der Unternehmen von einer mittelfristig stabilen Lage auszugehen ist.“ Hingegen schätzt das SMI die Situation bei mehr als der Hälfte der Unternehmen als kritisch ein. Aufgrund des hohen Wohnungsleerstandes … und eines niedrigen Mietniveaus weisen viele Unternehmen Verluste aus, die Liquidität verschlechtert sich zunehmend.

Die Schulden dieser wirtschaftlichen Unternehmen sind oftmals durch kommunale Bürgschaften gesichert. Die Kommunen setzten sich damit teilweise einem hohen Haftungsrisiko aus. Das SMI bewertet 31 Prozent des angegebenen Bürgschaftsvolumens als kritisch, 69 Prozent als stabil. Die Belastungsgrenze kommunaler Haushalte würde bei Inanspruchnahme als Bürge oftmals überschritten, da Rücklagen in entsprechender Höhe nicht vorhanden sind.

Wissen muss man dazu, dass die große Mehrheit der sächsischen Kommunen bereits mit Haushaltsicherungskonzepten arbeitet. Ein Konkurs ihrer kommunalen Wohnungsgesellschaften wäre das sichere Ende ihrer Selbstverwaltung. So ist es nicht verwunderlich, dass Buttolo es den Kommunen überlassen will, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Ihnen wird, trotz besserem Wissens und des derzeitigen Förderszenarios, nichts weiter übrig bleiben als ihre Innenstädte abzureißen! Sachsen kann sich der Unterstützung der Kommunen und vieler Neuen Bundesländer sicher sein, weil bei ihnen die Lage kaum anders ist.
Wenn aber Buttolo in seiner Argumentation daran erinnert, dass der demografische Wandel nur mit dem Abriss innerstädtischer Altbaubestände bewältigt werden kann, so ist das ein Schuldeingeständnis gegenüber der bisherigen Politik. Man weicht auf Altbaubestände aus, weil die Platten durch die vielen zugeschnittenen Förderprogramme bereits saniert sind!

Dass damit die Zukunftsfähigkeit der Städte aufs Spiel gesetzt wird, könnte in dem Machtkampf zwischen Bund und Ländern auf der Strecke bleiben. Ist das aber die Perspektive von Aufbau Ost?

Beitrag in “Haus & Grund” vom 25.10.07 von Dr. Th. Ungethüm

Ein Gedanke zu „Offener Richtungsstreit beim Stadtumbau zwischen dem Bund und Sachsen

  1. Ich muss in Chemnitz die Jahre miterleben wie ein hist. Gebäde nach dem anderem fällt. Karrees werden aufgebrochen, ganze Straßenzüge abgerissen. Das, während am Stadtrand, Plattenbauten en Mass saniert werden, Politiker das als Erfolg verbuchen, Regionale Medien Beifall klatschen.

    Es klingt zwar wie Hohn, aber ich wünsche mir das Chemnitz von 1990 zurück. Die Häuser waren zwar kaputt und es fehlte eine richtige Innenstadt. Aber drumherum gab es wunderbare urbane Strukturen.

    Das würde ich eintauschen gegen einen gläsernen Kaufhof, gegen Kollhoffs gelbe Galerie.

    In einer deurbanisiereten Stadt fühle ich mich nicht wohl.

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