ABRISS ANNABERGER STRAßE 110 STEHT BEVOR

ABRISS ANNABERGER STRAßE 110 STEHT BEVOR

Eine Sicherung des Hauses an der Annaberger Straße ist der Stadtverwaltung zu teuer. Dabei gab es einen Vorschlag zum Erhalt des Gebäudes.

Der wichtigste Satz steht am Ende der knapp zweieinhalb Seiten über den Zustand des baufälligen Hauses Annaberger Straße 110: Die Anordnung für den Abriss des Gebäudes bleibt aufrechterhalten, er ist “schnellstmöglich” zu vollziehen. Unterzeichnet hat das Papier Baubürgermeister Michael Stötzer. Damit will das Bauamt einen Schlussstrich unter die Bemühungen ziehen, das denkmalgeschützte, aber marode Haus doch noch zu retten.

Bereits im Februar hatte die Stadt angekündigt, das Gebäude aus Sicherheitsgründen abreißen zu lassen. Um eine Gefahr für Passanten zu verringern, waren schon der Gehweg und eine Fahrspur vor dem Haus gesperrt worden. Die Ankündigung des Abbruchs stieß auf Widerstand, Stadträte forderten, die Pläne zu stoppen. Daraufhin zog die Verwaltung den Abrissbagger, der schon vor Ort war, wieder ab. Ein Statiker prüfte das Gebäude mit dem Ergebnis, dass eine Notsicherung möglich sei. Doch die Kosten dafür von 384.000Euro seien zu hoch, sagt nun das Bauamt. Darin enthalten sind etwa Gerüstbauarbeiten, Arbeiten am Dach und zur Beseitigung von Hausschwamm. Vom Hauseigentümer sei zudem keine Sanierung zu erwarten. Das Gebäude steht zur Versteigerung.

All das geht aus einer Information an die Stadtratsmitglieder im Planungs-, Bau- und Umweltausschuss hervor, der sich am 14.August das erste Mal nach der Sommerpause trifft. Für Detlef Müller, Fraktionsvorsitzender der SPD und Mitglied im Ausschuss, kommt das Aus für das Haus nicht überraschend. Auch die Höhe der Kosten für die Notsicherung habe er in dieser Größenordnung erwartet. Was er erst von “Freie Presse” erfuhr: Es gab Gespräche zur Rettung des Denkmals zwischen Verwaltung und dem Eigentümer der anderen Haushälfte Annaberger Straße 110 a, der Firma Rewobau. Chef Dietmar Jung spricht von einem Deal zwischen ihm und der Verwaltung. Die Stadt sollte sich 70.000 Euro vom Landesdenkmalschutz besorgen, die Firma eine Mindest-Bietergarantie für die Zwangsversteigerung von 50.000 Euro geben. Mit dem Geld sollte die Notsicherung des Hauses Annaberger Straße 110 erfolgen. Bei der Zwangsversteigerung wollte die Firma das Gebäude erwerben. Wäre er Eigentümer beider Haushälften, würde er das Gebäudeensemble sofort sanieren, so Jung am Freitag.

Warum es zu dieser Lösung nun nicht kommt, hat die Stadtverwaltung nicht mitgeteilt. In dem Papier für den Ausschuss wird aber die Gefahr betont, die derzeit von dem Haus ausgehe. Zudem sei mit einer Zwangsversteigerung frühestens in 18 Monaten zu rechnen.

Detlef Müller spricht sich dafür aus, die Lösung zu prüfen und umzusetzen. Doch er warnt davor, unnötig Geld auszugeben. “Wenn die Stadt in die Sicherung investiert und auf dem Haus sitzenbleibt, kann ich das nicht unterstützen.” Er übt aber auch Kritik. “Es gibt ein Kommunikationsproblem innerhalb der Stadtverwaltung.” Das sieht Susanne Schaper ähnlich. Die Linken-Stadträtin fordert die Verwaltung zu mehr Transparenz im Hinblick auf solche Absprachen wie die zwischen dem Eigentümer der anderen Haushälfte und der Stadt auf. “Wenn es eine solche Absprache zur Rettung des Hauses gegeben hat, dann sollte diese nicht gebrochen werden.” Im Ausschuss müsse hinterfragt werden, warum es zur Rettung des Hauses nun nicht kommt, so CDU-Stadträtin Ines Saborowski: “Die Stadt sollte sich an Absprachen halten.” Es sei ein schlechtes Signal an Investoren, die sich in Chemnitz engagieren wollten.

Dietmar Jung lässt derzeit seine Haushälfte für 35.000 Euro sichern. Dazu wurde er von der Stadt aufgefordert. Als Eigentümer sei er verpflichtet, das Haus denkmalgerecht zu erhalten, heißt es in dem Schreiben. “Das ist die größte Frechheit”, schimpft er. Denn wenn die Stadt die andere Gebäudehälfte abreiße, werde sein Teil “wertlos”.


Kommentar: Fatales Signal

Das Gebäude an der Annaberger Straße ist schon lange ein Sorgenkind: abbruchreif, eine Gefahr für Passanten, immer wieder neue Eigentümer. Dann kommt ein Investor, kauft die eine Hälfte, hat eine Lösung für die andere. Es gibt Gespräche mit der Stadt, der Erhalt des Hauses scheint nah. Dann: Die Stadt geht zurück auf Null, zieht die Abrisskarte. Stößt den Investor vor den Kopf. So geht es nicht. Das Signal, das von diesem Umgang mit Menschen ausgeht, die in der Stadt etwas bewirken wollen, ist fatal. Nun haben es die Stadträte im Bauausschuss in der Hand, die Verwaltung zu korrigieren.

Nachtrag:

Das Haus wurde von der Stadt gekauft unter dem Versprechen des Investors, dass es dieser ersteigert. Das ist geschehen und das Haus erst mal gerettet. Nun vergeht einige Zeit, aber der Abriss ist vom Tisch, denn eine Notsicherung wurde vorher durchgeführt. Eine zählebige Geschichte, die aber durch den Druck der Öffentlichkeit noch gut gelöst wurde.

4 Gedanken zu „ABRISS ANNABERGER STRAßE 110 STEHT BEVOR

  1. Die Argumentation der Stadt ist bewusst irreführend und falsch aufgezogen.
    Ziel ist es Stadträte unter Ausnutzung der Unkenntnis und Unerfahrenheit auf diesen Sachgebieten zu einer mehrheitlichen Aussage zu bringen.
    Kurz. Die Entscheidung erfolgt auf der Grundlage falscher Daten.

    Was also hat die Stadt davon ? Es geht nur um das Vertuschen von Fehlern und Inkompetenz. Seit Jahren liegen manipulierte Gutachten und Stellungnahmen auf dem Tisch. Der neue Gutachter und Statiker Volker Lange ist fassungslos über die Mangelhafte Arbeit seines Kollegen im Amt und die daraus resultierenden manipulierten Stellungnahmen.
    Warum hat man eigentlich immer nur Angst, dass Fehler zum Köpferollen führen.
    Es wäre doch viel mutiger und kompetenter den Hut endlich aufzusetzen und zu Fehlentscheidungen zu stehen. Das löst doch viel mehr Vertrauen aus.
    Ich korrigiere meine Fehler jeden Tag. Je schneller desto besser für alle.

  2. hallo, Herr Jung, das ist ja nicht das erste Mal, dass Entscheidungsträger Angst vor der eigenen Courage haben. Klicken Sie einmal oben unter “Kategorien” Abrissvorhaben-wir haben das ähnlich erlebt mit der Hartmannstr. 16 im Jahre 2010. Dort tauchte auch ein Gutachter auf. Die Stadt kaufte es aus privater Hand und ließ es abreißen, eine wichtige Dominante an der Hohen Brücke. Wir hatten auch einen Gutachter, der bezeugte, dass das Gebäude nach Sicherung noch lange stehen könnte. Hier ist es das Gleiche. Das große Doppelhaus bildet an dieser Stelle gegenüber der Erdmannsdorfer Straße eine Art Dominante und schließt diese Seite sehenswert ab. Eine Haushälfte allein wirkt lächerlich!

    Wir kennen die hochgeputschten Gutachten, die dann zum Abriss oder Verkauf führten seit Herrn Seiferts Zeiten, der das Haus für Körperkultur in Rabenstein schließen ließ. Heute baut man Luxuswohnungen da rein und sucht gleichzeitig nach einem Standort für eine Sporthalle, von einer Schwimmhalle gar nicht zu reden.

    Jedenfalls hat der Baubürgermeister, Herr M. Stötzer in einer Bürgerversammlung am 17.4.2018 in der Johanniskirche bekräftigt, dass kein Abriss der Annaberger Str. 110 rechte Hälfte stattfinden wird. Da kann man ihm nur eine Weisung erteilt haben, (von wem denn schon) den Abrissantrag zu unterschreiben, denn an sich wird Herr Stötzer auch von uns geschätzt.

    Es gibt aber Gegenwind und Herr W. Günther MdL, der damals mit dabei war, ist informiert. Dann ist Lars Faßmann, Stadtrat Vosi, aktiv.

    Wir als Stadtforum verlangen ein praktikables Gutachten zur Notsicherung (das Nötigste) und einen schnellen Termin zur Zwangsversteigerung, damit ein Verkauf zu Stande kommt.

  3. Der Abriss der Annaberger Str. 110 kann aus geologischen Gründen ein Millionengrab für Chemnitz werden.

    Begründung:

    Die Fundamente beider Häuser (Ensemble) stehen auf Kies und Schlamm. Um dem Bauwerk auf diesem schwimmenden Untergrund statischen Halt zu geben, waren damals beim Bau der Annaberger Str. 110 und 110a zwei außenliegende Tiefergründungen zwingend erforderlich, um die Statik in einem Gleichgewicht der sich gegenseitig stützenden Kräfte zu halten.

    Wird eine Seite abgerissen, kann es zu schweren Bauschäden für die verbleibende Hälfte kommen. Die Stadt müsste dann die Kosten des Wiederaufbaus der Nachbarhaushälfte Annaberger Str. 110a tragen, die mit ca. 1,6 Mio € (800 m² x 2.000 €/m²) zu Buche schlägt.

    Geologisch gutachterliche Begründung:

    Die Annaberger Str. 110 und 110a (gesamtes Ensemble) sowie die daneben- und gegenüberliegenden Gebäude stehen auf einer 4,7 m tiefen kiesigen Masse. Diese Masse wird von „Rotliegendem“ unterlagert. Die tonige Schluffschicht ist von Glimmer durchsetzt und hat eine Mächtigkeit von 90 cm. Darunter folgt eine 60 cm starke feinsandige Schicht wieder des „Rotliegenden“. Erst in weiterer Tiefe wird das „Rotliegende“ gesteinsartig.

    Das Problem ist, dass das „Rotliegende“ stark wasserempfindlich ist und ständig zu Schlammbildung neigt.

    Dietmar Jung

  4. Vielen Dank für die kollegiale Unterstützung.
    Tatsächlich dürfen wir nicht vergessen, dass trotz der Widrigkeiten in dieser Sache die Chemnitzer uns herzlich aufnehmen und unterstützen.
    Zur sachlichen Darstellung gehören auch einige Merkwürdigkeiten der Stadt Chemnitz bzw. der Personen, die dies alles zu verantworten haben.

    Am 12.4.2017 wird der Eigentümer der rechten Hälfte Annaberger Str. 110 -Hr. Dr. Stöber – vom Bauamt in Kenntnis gesetzt, dass der Nachbar der linken Hälfte am Erwerb der rechten Hälfte des Hauses Annaberger Str. 110 interessiert sei.

    Als die Verhandlungen beginnen und Verträge vorbereitet werden, lässt die Stadt Chemnitz vorsorglich in 2 Grundstücke (Annaberger Str. 110 und Annaberger Str. 521) ein und dieselbe Grundschuld in Höhe von 41.252,14 € zzgl. 882,95€ eintragen. Die Grundschuld wurde weder begründet noch ist sie jemals als Kostenbescheid zugegangen.
    Der geplante Kaufvertrag im darauffolgenden Monat war nun geplatzt, da die Grundschulden uferlos wurden.
    Der zu erwartende Antrag auf Zwangsversteigerung unterblieb. Bis zum Februar 2018, als der Abriss im Eilverfahren durchgezogen werden sollte, erhielten wir weder Informationen, noch was die Stadt plant.
    Am 17.2.2018 erklärte der Besitzer der linken Haushälfte sich bereit, die geplanten Sanierkosten von 120.000 € durch ein Mindestgebot von 50.000 € zu stützen. Die fehlenden 70.000 € sollten durch Mittel der Denkmalförderung kommen.
    Auf die Frage, warum man bis dato keine Zwangsversteigerung eingeleitet hätte, blieb man die Antwort schuldig. Alles was dem Eigentümer nun noch blieb, war durch Gutachten zu belegen, dass das Haus mit 120.000 € zu sichern sei und sofern notwendig, auch mit 50.000 € eine Erstnotsicherung durchzuführen, um den Termin der Zwangsversteigerung schadlos zu erreichen.

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