Planlos ist die Abrissbirne

Planlos ist die Abrissbirne

 17. Dezember 2007 in „Die Welt“,  von Dankwart Guratzsch

Was derzeit im Städtebau in Sachsen geschieht, ist beinahe ebenso kopflos wie die an die Wand gefahrene Finanzpolitik und die ins Schlingern geratene Kulturpolitik dieses Bundeslandes. Wider besseres Wissen werden die mit knapper Not über Krieg und DDR-Misswirtschaft herübergeretteten Altstädte mutwillig „perforiert“, nur um die Plattenbauten und die auf der Kippe stehenden kommunalen Wohnungsgesellschaften vor dem Bankrott zu retten. Als die Dinge jetzt im Sächsischen Landtag beim Namen genannt wurden, kam es zu einer ungewöhnlichen Allianz: Grüne und FDP attackierten die verlegen ausweichende Regierungskoalition von CDU und SPD als eigentümerfeindlich.
Tatsächlich geht es längst nicht mehr nur um ästhetische oder kulturelle Belange der betroffenen Städte. Die Politik schlägt durch auf Gesellschaft und Zukunftschancen. Staatswirtschaftliche Großstrukturen werden in der neu zementierten Verbindung von Kommunalbetrieben, Landesbanken, Landesregierung und Kommunalverwaltung gegen den privaten Streubesitz in den Gründerzeitquartieren in Stellung gebracht. In der Zeitschrift des Verbandes der Haus- und Grundbesitzer füllt die Klage über die Auspowerung mittelständischer Eigentümer durch eine am Nutzen von Staatsbetrieben orientierte Städtebaupolitik inzwischen ganze Seiten.
Verteidiger dieser Strategie verschanzen sich hinter dem Argument, beim Herausreißen von maroden Einzelgebäuden aus intakten Quartieren handele es sich um Einzelfälle. Doch jeder dieser „Einzelfälle“ verursacht einen Flächenschaden. Denn in Stadtteilen mit Blockrandstruktur hängt an einem einzelnen Haus immer ein ganzes Häusergeviert mit Dutzenden Privateigentümern und Hunderten Bewohnern. Ihre teils aufwändig sanierten Mietshäuser verlieren durch die neugeschaffenen Lärm- und Windschneisen ihre Wohnlichkeit. Es kommt zu Mieterflucht und Gebäudeverfall – die Eigentümer sprechen von kalter Enteignung.
Dass ein solcher Städtebau weder ökologisch, noch ökonomisch, noch sozialpolitisch sinnvoll ist, wusste man auch schon einmal in Sachsen. Hier hat sich bekanntlich ein ganzer Staat daran verhoben. Eine bleibende Lehre war das offenbar nicht.

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