Adieu, Le Corbusier
Am 26.05.2007 zu lesen in „Die Welt“
„Mit einer „Charta von Leipzig“ haben sich die für Stadtentwicklung zuständigen Minister der EU-Staaten für eine Kehrtwende in der Planungspolitik für Europas Städte ausgesprochen. In bewusster Abkehr von Le Corbusiers „Charta von Athen“ fordern sie zu einer Renaissance der europäischen Stadt im Zeichen der Rückbesinnung auf die Innenstädte auf. Dass dafür unversehens die sächsische Wirtschaftsmetropole Leipzig zu einem leuchtenden Symbol geworden ist, dem die europäischen Kollegen von Bundesbauminister Tiefensee von Portugal bis Polen wahre Ovationen darbrachten, hat seinen guten Grund. In Leipzig sind 40 000 Stadtrandbewohner in die Stadtmitte zurückgekehrt – ein Planungserfolg mit Vorbildcharakter. Mit ihrer „Charta“ bewegen sich die Minister akkurat auf dem Kurs von Habitat II, dem Stadtgipfel der UN von 1996 in Istanbul, auf dem Tiefensees Amtsvorgänger Klaus Töpfer den Begriff der „nachhaltigen Siedlungsentwicklung“ zum Durchbruch verholfen hatte. Statt auf uferlosen Flächenverbrauch und „Auflockerung“ setzen die Planungsfürsten auf die „kompakte Stadt“ der kurzen Wege. Das heißt: weg von der Trennung der städtischen Funktionen Wohnen, Gewerbe, Freizeit, zurück zu gemischten „urbanen“ Strukturen, die einen sparsameren Umgang mit den Ressourcen erlauben.
Die Appelle wären glaubwürdiger, wenn sie auch umgesetzt würden. Nicht einmal 100 Kilometer von Leipzig entfernt tut man in Chemnitz und Weißenfels just das Gegenteil: Abrisse in der Innenstadt, damit die Plattenbauten am Stadtrand geschont werden können. Die Fördermittel dafür sind da. Sie kommen aus dem Haus der guten Ratschläge: Ministerium Tiefensee.“ Dankwart Guratzsch
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