Meine Gedanken zum „Chemnitzer Modell“
In einer Welt in der tagein, tagaus immer mehr das Wahrnehmbare und Sinnreiche nur in zählbares und messbares umgewandelt wird, scheint es am besten zu gehen. Das Verdrängen und Abwerten, das Aufwerten nur bestimmter Teile der Stadt – die schleichende Gentrifizierung.
Heißt es noch hoffnungsvoll bei dem Dichter Eichendorff: „Wo ein Mensch begeistert steht, da ist der Gipfel der Welt und alles wird gut.“ In Volker Brauns’s Gedicht „Gemischter Chor“ ist unsere Realität schon da: …“Das unzulängliche Hier wird’s Erreichnis. Das fein Geplante ist doch zum Schrein. Das ungeahnte Tritt eisern ein.“
Zum wiederholten Mal soll das Umweltzentrum abgeschafft werden. Als Erstes soll es aus seinem bekannten Standort vertrieben werden. Aber der jetzige ist einfach markanter und das seit über 20 Jahren, gegenüber einer Kirche und an dem Ort wo einst die Häscher und Wächter des DDR-Staates saßen. Optisch als auch inhaltlich kann es nicht besser sein, in zeitgeschichtlicher Entwicklung sowie Bedeutung denn alle anderen Entscheidungen wären politisch instinktlos. Es war und ist Bürgerwille im Prozess der sogenannten „Friedlichen Revolution“.
Warum muss das kurzsichtige Verändern des gewachsenen immer wieder zum Modell werden ? Es wäre gescheiter die unterschiedlichsten Einrichtungen im UWZ selbst und in der Stadt zu mobilisieren um es aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Als erstes muss die Leitung selbst wieder einziehen, die hervorragend ausgestattete Umweltbibliothek wieder in aller Munde gebracht werden, eine Stammkneipe wieder eingerichtet werden und den einst außerordentlich gut besuchten „ Grünen Stammtisch“ mit seiner guten Diskussionskultur wieder belebt werden. Statt, das Haus am langen Arm, von wem auch immer, verrecken zu lassen!
Man schwatzt von Optimierungsmöglichkeiten und von Partizipationsprozessen und ist doch unendlich weit entfernt davon. Die gestelzte und technizistische Sprache des politischen und des
Verwaltungsapparates verrät schon viel von den zu erwartenden Entscheidungen und deren Qualität, besonders was Alternativen anbelangt.
Dazu zwei Beispiele:
… über den Entwicklungsstand im Quartier und aktuelle Handlungsschwerpunkte informieren will. Oder,
… so müssen im gegenwärtigen zu erarbeiteten Betreiberkonzept zum einen marktgerechte Mietkonditionen und Ankaufspreise als auch die notwendigen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten und und und.
Hier im Osten von Deutschland wollen die zugereisten und eingesetzten Beamten immer wieder alles verändern- Das macht die Bürger mürbe, desinteressiert und und vor allem politikverdrossen. Ich könnte auch sagen: Wer Häuser wegreist, der kann nicht an einem gedeihlich und gewachsenen Miteinander interessiert sein. Die Auswirkungen der Abrißproblematik liegt für mich ohnehin tiefer, als manche Mitmenschen vermuten.
In Chemnitz haben die Verwaltungsbeamten und Parteipolitiker doch ihre mangelten Fähigkeiten bzw. ihren Unwillen schon mehrfach unter Beweis gestellt. Nur 3 Beispiele sollen das verdeutlichen.
Als es um die Erhaltung des ehemaligen Standort des Kulturzentrums Voxxx ging, haben es die Stadtverantwortlichen nicht hinbekommen ihn zu sichern. Der Umzug ins umbenannte Weltecho zeigt eine Menge Kompromissein Richtung Verschlechterung und das im westlichen Sprachgebrauch so viel gepriesene Alleinstellungsmerkmal hat er auch nicht mehr.
Beim Exka, dem experimentellen Karree am Bernsbachplatz, welcher eine „Riesenfläche“ ist, weil eine Doppelkreuzung, den die entstandene bunte Belebung besonders gut getan hätte, unter fadenscheinigen Erklärungen erfolgte auch hier die Vertreibung an einen eher ungastlichen Ort, eingangs der Leipziger Str. Ecke Mathesstraße, wo sich nicht viel, vielleicht gar nichts entwickeln wird. Noch nie haben die berühmtesten Bayrischen Autohersteller ihren Hauptstandort bzw. Sitz verändert. Warum wohl? Ständige Mobilität und Veränderungsbereitschaft abzuverlangen und zu organisieren ist für mich in der enger werdenden Welt, auch wenn der Anschein in unserer Region bzw. in Deutschland zur Zeit sich anders darstellt – warum werden wohl diese riesigen, oft überdimensionierten Verkehrs-
anlagen vieler Orts errichtet – ein typisches Erscheinungsbild der Wegwerfgesellschaft.
Ein Höhepunkt des im wahrsten Sinn des Wortes „Chemnitzer Modell“ ist dann die komplette Zerstörung des Straßenraumes entlang der Reichenhainer Straße. Die einzige Baumallee in unserer Stadt wird der fragwürdigen Fördergeldpolitik und einem nicht bis zu Ende gedachten Bauprojekt geopfert.
Ach und Millionen € sind vorhanden, um einen im stringenten Weg nach unten führenden Profifußballclub ein Luxusstadion zu bauen, obwohl ein Ort mit viel Platz und reichlich Umgebung vorhanden ist und keine Anwohner gestört werden,wohl auch keine Daseinsfürsorge in Aussicht steht. Welch ein Tollhaus ist Chemnitz bloß geworden ?
Michael Backhaus, Mitglied des Chemnitzer Stadtforums, Dezember, 2011